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Ordnung für die Notfallseelsorge in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

Vom 9. Juni 2023

KABl. 2023, S. 31

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Präambel

Notfallseelsorge ist ein kirchlich-seelsorglicher Dienst für Menschen in besonderen Notlagen. Menschen in Notsituationen beizustehen, ist unverzichtbarer Bestandteil des christlichen Handelns. Sie ist überkonfessionell und begegnet in ökumenischer Offenheit durch Begleitung, Gebet und Ritual direkt und indirekt Betroffenen. Kirche nimmt in diesem Dienst ihre Mitverantwortung für die Menschen, für die Gesellschaft und für das öffentliche Leben wahr. Notfallseelsorge ist ökumenisch getragen und achtet die religiöse Selbstbestimmung des Gegenübers. Sie handelt im Notfall, ist aber stets mit den Gemeindepfarrämtern sowie beteiligten Einsatzkräften vernetzt.
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§ 1
Allgemeines

( 1 ) Notfallseelsorge ist Teil der kirchlichen Seelsorge. Seelsorgliche Gespräche im Rahmen der Notfallseelsorge stehen unter dem Schutz der Kirche.
( 2 ) Die Gemeindepfarrämter wie auch übergemeindliche Dienste im Kirchenkreis beteiligen sich an der Ruf- und Einsatzbereitschaft der Notfallseelsorge und tragen diesen Dienst gemeinsam. Die Art und Weise der Zusammenarbeit ist in einem Konzept des jeweiligen Kirchenkreises geregelt. Die Notfallseelsorgekonzeption stellt in Notfällen die notwendige ständige Erreichbarkeit von Kirche sicher.
( 3 ) Die Notfallseelsorge ist Bestandteil der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Sie geht mit ihren Inhalten nicht in der PSNV auf.
( 4 ) Die Notfallseelsorge wird durch die Rettungsleitstelle oder durch die Polizei benachrichtigt. Dieses geschieht in Krisensituationen Betroffener wie auch nach Unfällen, Bränden oder Großschadensereignissen. Der Kirchenkreis regelt, wie im Einsatzfall die Koordination zwischen der Rufbereitschaft der Notfallseelsorge und dem örtlich zuständigen Gemeindepfarramt im Hinblick auf die Übernahme des Einsatzes erfolgt.
( 5 ) Notfallseelsorge handelt im Akutfall. Eine darüberhinausgehende längerfristige Begleitung erfolgt nicht durch die Notfallseelsorge selbst.
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§ 2
Trägerschaft

( 1 ) Der Kirchenkreis ist zuständig für die Aufstellung eines Notfallseelsorge-Systems. Er ist in der Regel Träger des Systems und sorgt für den Betrieb. Der Kirchenkreis leitet die Notfallseelsorge, steuert den Personaleinsatz sowie die Ausgestaltung der Rufbereitschaften. Er stellt die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung. Befinden sich mehrere Kirchenkreise auf dem Gebiet eines Landkreises, können sie gemeinsam ein Notfallseelsorge-System einrichten. Darüber hinaus ist es möglich, ein Notfallseelsorge-System in einer ökumenischen Trägerschaft aufzustellen.
( 2 ) Die Zusammenarbeit mit anderen Trägern ist auf regionaler Ebene möglich. Eine derartige Zusammenarbeit erfordert eine verbindliche Vereinbarung in Schriftform. Kirchliche Interessen sind zwingend zu wahren. Zur Gewährleistung des Informationsflusses sind diese Vereinbarungen der Landeskirche zur Kenntnis zu übersenden.
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§ 3
Kirchenkreisbeauftragte

( 1 ) Die Superintendentin / der Superintendent bestimmt eine Kirchenkreisbeauftragte / einen Kirchenkreisbeauftragten für Notfallseelsorge.
( 2 ) Die / der Kirchenkreisbeauftragte hat folgende Aufgaben:
  1. Organisation und Einsatz der Notfallseelsorge im Kirchenkreis oder Kirchenkreisverbund in Zusammenarbeit mit der zuständigen Superintendentur und dem Kirchenkreisvorstand
  2. Begleitung der in der Notfallseelsorge Tätigen
  3. Vertretung der Notfallseelsorge auf Ebene des Landkreises im Arbeitsfeld der PSNV und des Katastrophenschutzes
  4. Vermittlung von Fortbildungsangeboten an die Mitarbeitenden in der Notfallseelsorge
  5. Regelmäßige Kontaktpflege zu den Sprengelbeauftragten Notfallseelsorge und den zuständigen Mitarbeitenden im Zentrum für Seelsorge und Beratung
  6. Regelmäßige Kontaktpflege zu dem regional zuständigen Rettungsdienst, der Feuerwehr und der Polizei.
  7. Vertretung des Kirchenkreises auf den Sprengelkonferenzen Notfallseelsorge
  8. Bereitschaft zur eigenen kontinuierlichen Fortbildung im Bereich PSNV und Notfallseelsorge
( 3 ) Die / Der Kirchenkreisbeauftragte soll aus dem Kreis der Hauptamtlichen eines Kirchenkreises bestimmt werden. Bei der Auswahl der Kirchenkreisbeauftragten sind die Sprengelbeauftragten einzubeziehen.
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§ 4
Mitarbeitende in der Notfallseelsorge

( 1 ) Alle Mitarbeitenden in der Notfallseelsorge im beruflichen und ehrenamtlichen Dienst müssen für die Arbeit persönlich und fachlich geeignet sein.
( 2 ) Ordinierte Pastorinnen und Pastoren aus dem Gemeindedienst und den übergemeindlichen Diensten arbeiten im Rahmen ihres Seelsorgeauftrags in der Notfallseelsorge mit.
( 3 ) Andere kirchlich Mitarbeitende sind für die Mitarbeit in der Notfallseelsorge entsprechend den Regelungen des Seelsorgegeheimnisgesetzes (SeelGG) gesondert zu beauftragen.
( 4 ) Ehrenamtlich Mitarbeitende sind nach erfolgreicher Ausbildung entsprechend den Regelungen des SeelGG ebenfalls zur Mitarbeit zu beauftragen. Die Beauftragung soll für eine Dauer von jeweils sechs Jahren ausgesprochen werden, die Verlängerung der Beauftragung ist möglich.
( 5 ) Mitarbeitende in der Notfallseelsorge müssen Mitglied einer Kirche sein, die ihrerseits Vollmitglied in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) ist.
( 6 ) Das Mindestalter für die Mitarbeit soll bei 25 Jahren liegen. Die Mitarbeit endet mit der Vollendung des 75. Lebensjahres.
( 7 ) Ein Ausschlusskriterium für die Mitarbeit liegt dann vor, wenn jemand einem Beruf nachgeht, durch den es zu wirtschaftlichen oder inhaltlichen Interessenkonflikten mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit in der Notfallseelsorge kommen kann.
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§ 5
Ausbildung der Mitarbeitenden

( 1 ) An der Mitarbeit interessierte Ehrenamtliche führen zunächst ein Eignungsgespräch mit der / dem zuständigen Kirchenkreisbeauftragten oder der zuständigen Systemleiterin / dem zuständigen Systemleiter. Es steht einem Notfallseelsorgesystem frei zu entscheiden, ob die Mitarbeit von Ehrenamtlichen möglich ist oder nicht. Keine ehrenamtliche Interessentin / kein ehrenamtlicher Interessent hat das Recht, eine Mitarbeit einzufordern. Auch die Teilnahme an NFS- oder PSNV-Ausbildungsgängen berechtigt nicht zur Mitarbeit.
( 2 ) Ehrenamtlich Mitarbeitende in der Notfallseelsorge werden auf Ebene der Landeskirche ausgebildet. Andere Ausbildungsgänge in externen Landeskirchen oder Bistümern berechtigen nach Absprache und Einzelfallprüfung zur Mitarbeit. Seelsorgeaus- oder Fortbildungen in anderen Bereichen können als Teilqualifizierung für die Mitarbeit anerkannt werden.
( 3 ) Bei den kirchlichen Berufsgruppen, die eine Seelsorgeausbildung durchlaufen haben, ist eine sofortige Mitarbeit in der Notfallseelsorge möglich. Darüber hinaus können sie auf Wunsch an Qualifizierungskursen für beruflich Mitarbeitende teilnehmen.
( 4 ) Für alle Fragen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sind die jeweiligen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner des Zentrums für Seelsorge und Beratung zuständig.
( 5 ) Praktika und Hospitation bei Notfallseelsorgeeinsätzen sind grundsätzlich nicht möglich. Nach absolvierter Ausbildung und Beauftragung reflektieren ehrenamtlich Mitarbeitende im ersten Jahr ihrer Mitarbeit ihre Einsätze in der Notfallseelsorge mit einer erfahrenen Mitarbeiterin / einem erfahrenen Mitarbeiter der Notfallseelsorge.
( 6 ) Mitarbeitende in der Notfallseelsorge müssen vor Beginn der Mitarbeit ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Dieses ist nach dem Ablauf von 5 Jahren zu erneuern. Die Kosten für das Führungszeugnis trägt der Kirchenkreis.
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§ 6
Beauftragung und Einführung der privatrechtlich Beschäftigten und ehrenamtlich Mitarbeitenden

( 1 ) Sowohl privatrechtlich kirchlich beschäftigte Mitarbeitende in der Notfallseelsorge als auch alle ehrenamtlich Mitarbeitenden müssen schriftlich für ihre Mitarbeit beauftragt werden. Sie sollen im Rahmen eines Gottesdienstes in den Dienst eingeführt werden.
( 2 ) Für die ehrenamtlich Mitarbeitenden muss die Superintendentur des jeweiligen Kirchenkreises eine Personalkartei führen. Diese enthält mindestens die entsprechenden Qualifikationsnachweise, die aktuell geltende Beauftragung zur Mitarbeit sowie - bei Einwilligung - das erweiterte Führungszeugnis oder - bei fehlender Einwilligung - eine Notiz über das erweiterte Führungszeugnis mit folgenden Informationen: Der Tatsache, dass Einsicht genommen wurde, dem Datum des Führungszeugnisses sowie darüber, ob eine Person wegen einer Straftat nach § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII rechtskräftig verurteilt wurde.
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§ 7
Zentrum für Seelsorge und Beratung

( 1 ) Durch das Zentrum für Seelsorge und Beratung werden alle landeskirchenweiten Aus- und Fortbildungen für die Notfallseelsorge konzipiert, organisiert und durchgeführt.
( 2 ) Die / der landeskirchliche Beauftragte für NFS ist mit Dienstsitz dem Zentrum für Seelsorge und Beratung zugeordnet, hier liegt auch die Dienstaufsicht. Die Fachaufsicht wird durch das Landeskirchenamt wahrgenommen. Die / der landeskirchliche Beauftragte ist zuständig für die Arbeitsstandards innerhalb der Notfallseelsorge sowie für alle grundsätzlichen Fragen der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Sie / er leitet die regelmäßige Dienstkonferenz für Notfallseelsorge auf landeskirchlicher Ebene. Sie / er vertritt die Landeskirche in den entsprechenden kirchlichen und staatlichen Gremien, in denen Inhalte und Belange von PSNV und Notfallseelsorge verhandelt werden. Sie / er hält direkten Kontakt zur Kirchenleitung, den Sprengeln, zu den Kirchenkreisen und insbesondere zu den Sprengelbeauftragten. Sie / er hat in den Sprengelkonferenzen sowie Kirchenkreiskonferenzen für NFS ein Gastrecht. Sie / er arbeitet in den übergeordneten Arbeitsbereichen des ZfSB mit. Die / der landeskirchliche Beauftragte steht den Kirchenkreisen und Sprengeln in einer Großschadenslage als zusätzliche Führungskraft zur Verfügung. 10 Sie / er informiert und berät die Kirchenleitung in einer Großschadenslage und Katastrophenschutzfall. 11 Näheres regelt die jeweilige Dienstbeschreibung.
( 3 ) Die Sprengelbeauftragten für Notfallseelsorge sind mit einem Stellenanteil dem Zentrum für Seelsorge und Beratung zugeordnet. Die Dienstaufsicht liegt bei den jeweils zuständigen Superintendenturen, die Fachaufsicht über den Stellenanteil liegt beim Landeskirchenamt. Die Sprengelbeauftragten halten Kontakt zu den Kirchenkreisen in ihrem Sprengel. Sie begleiten insbesondere auch einzelne Mitarbeitende, falls diese Begleitung nicht durch die Kirchenkreise gewährleistet werden kann. Sie beraten die Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfe. Sie stehen den Kirchenkreisen als weitere Führungskraft in größeren Schadenslagen zur Verfügung. Sie haben im Rahmen des Themenfeldes Notfallseelsorge ein Gastrecht in den Kirchenkreiskonferenzen. Sie halten Kontakt zur / zum landeskirchlichen Beauftragten für Notfallseelsorge und beraten sie / ihn in inhaltlichen Fragen. Näheres regelt die jeweilige Dienstbeschreibung. 10 Die Sprengelbeauftragten für Notfallseelsorge werden vom Landeskirchenamt unter Einbeziehung der Regionalbischöfinnen und -bischöfe und der / des landeskirchlichen Beauftragten ernannt.
( 4 ) Die Kirchenkreise und Notfallseelsorge-Systeme haben einen Anspruch auf die Beratung durch das Zentrum für Seelsorge und Beratung in allen fachlichen und inhaltlichen Fragen. Diese Beratung findet durch die / den landeskirchlichen Beauftragten und / oder die Sprengelbeauftragten statt.
( 5 ) Landeskirchenweite Angebote für die Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereich der Notfallseelsorge werden durch das Zentrum für Seelsorge und Beratung konzipiert und durchgeführt. Die Angebote sollen in den verschiedenen Regionen der Landeskirche verortet sein. Eine regionale Kooperation mit einzelnen Kirchenkreisen ist anzustreben. Die Durchführung und Organisation der Veranstaltungen liegen bei der / dem landeskirchlichen Beauftragten sowie bei den Sprengelbeauftragten.
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§ 8
Begleitung und Supervision

Alle in der Notfallseelsorge Tätigen haben einen Anspruch auf die Begleitung ihrer Arbeit. Diese kann durch die Kirchenkreisbeauftragten, die Sprengelbeauftragten oder die landeskirchliche Beauftragte / den landeskirchlichen Beauftragten erfolgen. Darüber hinaus besteht grundsätzlich der Anspruch auf und die Pflicht zur Supervision. Die Kosten für eine angeordnete Supervision trägt der zuständige Kirchenkreis / das zuständige Notfallseelsorge-System. Des Weiteren gelten die Supervisionsrichtlinien der Landeskirche.
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§ 9
Verschwiegenheit

Notfallseelsorge ist Teil der kirchlichen Seelsorge. Der Schutz der Verschwiegenheit ist vollumfänglich zu gewährleisten. Protokolle von Gesprächen sind ausschließlich anonymisiert zu verfassen. Die Mitarbeitenden halten sich jederzeit an das Seelsorgegeheimnisgesetz.
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§ 10
Kirchliches Handeln in Katastrophen

Im Katastrophenfall arbeiten kirchliche Institutionen und staatlichen Institutionen eng zusammen. Die Arbeit der Notfallseelsorge wird sich im Katastrophenfall an den Erfordernissen orientieren und arbeitet im erforderlichen Fall weisungsgebunden. Näheres regelt die kirchliche Ordnung für den Katastrophenschutz.
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§ 11
Inkrafttreten

Diese Ordnung tritt mit Wirkung vom 9. Juni 2023 in Kraft.