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Kirchengesetz über die
Visitation (Visitationsgesetz - VisG)

Vom 13. Dezember 2012

KABl. 2012, S. 340, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Kirchengesetzes vom 19. Dezember 2022, KABl. 2022, S. 108, 114

Die Landessynode hat mit Zustimmung des Kirchensenates das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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§ 1
Allgemeines

( 1 ) Die Visitation ist ein geschwisterlicher Besuchsdienst. Sie ist durch eine Grundhaltung der Wertschätzung und Ermutigung bestimmt. Für diese Haltung tragen Visitierende und Visitierte gemeinsam die Verantwortung.
( 2 ) Die Visitation ist eine Leitungsaufgabe der Kirche. Sie nimmt wahr, wie in Kirchengemeinden, Kirchenkreisen, Werken und Einrichtungen das Evangelium von Jesus Christus verkündigt wird und Gestalt gewinnt.
( 3 ) Die Visitation ist eine Aufgabe der Kirchenordnung. Sie bringt die Zugehörigkeit der konkreten Gemeinde zur Kirche Jesu Christi zum Ausdruck und stellt die Kirchengemeinde in den regionalen und überregionalen Zusammenhang der Landeskirche.
( 4 ) Die Visitation hat insbesondere folgende Aufgaben:
  1. Sie soll die Arbeit und das geistliche Leben in Kirchengemeinden und sonstigen Körperschaften wahrnehmen.
  2. Sie dient dazu, Ziele der Arbeit zu formulieren, die vorhandenen Aktivitäten an diesen Zielen zu messen und Planungen an diesen Zielen auszurichten, zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen.
  3. Sie dient dazu festzustellen, ob die Kirchengemeinden und sonstigen Körperschaften die in der Landeskirche geltenden Ordnungen beachten.
  4. Die Visitation dient ferner dazu, den kirchenleitenden Organen der Landeskirche einen Überblick über das kirchliche Leben zu verschaffen und ihnen Grundlagen für ihr Planen und Handeln zu geben.
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§ 2
Anordnung der Visitation

( 1 ) In den Kirchengemeinden und Kirchenkreisen finden in der Regel alle sechs Jahre Visitationen statt. In besonderen Fällen kann der Visitator oder die Visitatorin eine außerordentliche Visitation durchführen.
( 2 ) Für andere kirchliche Körperschaften sowie für Werke, Einrichtungen und Dienste, die unabhängig von ihrer Rechtsform kirchliche Aufgaben erfüllen und der Landeskirche zugeordnet sind, kann der Bischofsrat auf Vorschlag des Landeskirchenamtes Visitationen anordnen. Bestehen Aufsichtsrechte der Landeskirche oder Vereinbarungen zur Visitation nicht, ist zur Anordnung der Visitation ein Antrag dessen, der die Visitation begehrt, erforderlich; ein Anspruch auf Visitation besteht insoweit jedoch nicht.
( 3 ) Das Visitationsrecht der Landesbischöfin oder des Landesbischofs nach Artikel 52 Absatz 3 der Kirchenverfassung bleibt unberührt.
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§ 3

( 1 ) Soweit Kirchengemeinden im Rahmen einer regionalen Zusammenarbeit nach den Bestimmungen des Kirchengesetzes über die regionale Zusammenarbeit von Kirchengemeinden gemeinsam kirchliche Aufgaben wahrnehmen, kann der Kirchenkreisvorstand auf Antrag des Superintendenten oder der Superintendentin oder einer beteiligten Kirchengemeinde eine gemeinsame Visitation festsetzen.
( 2 ) Pfarramtlich verbundene Kirchengemeinden sollen gemeinsam visitiert werden.
( 3 ) Gesamtkirchengemeinden werden gemeinsam mit den an ihnen beteiligten Ortskirchengemeinden visitiert.
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§ 4
Visitierende

( 1 ) Die Kirchengemeinden visitiert der Superintendent oder die Superintendentin. Die Kirchengemeinden, in denen der Superintendent oder die Superintendentin eine Pfarrstelle innehat, visitiert die Regionalbischöfin oder der Regionalbischof; sie oder er kann auch im Benehmen mit dem Kirchenkreisvorstand festsetzen, dass die Superintendenturgemeinde von ihr oder ihm entsprechend § 3 gemeinsam mit anderen Kirchengemeinden visitiert wird. Die Kirchenkreise visitiert die Regionalbischöfin oder der Regionalbischof.
( 2 ) Der Superintendent oder die Superintendentin kann einen mit seiner oder ihrer Stellvertretung im Aufsichtsamt beauftragten Pastor oder eine mit seiner oder ihrer Stellvertretung im Aufsichtsamt beauftragte Pastorin mit der Visitation in einer Kirchengemeinde beauftragen.
( 3 ) Der Kirchenkreisvorstand richtet gemeinsam mit dem Superintendenten oder der Superintendentin für die Visitation in der Kirchengemeinde ein Visitationsteam ein. Dem Visitationsteam sollen ehrenamtliche Mitglieder des Kirchenkreisvorstandes oder der Kirchenkreissynode angehören. Dem Visitationsteam können außerdem sachkundige Berater und Beraterinnen angehören. Mitgliedern des Visitationsteams können durch den Visitator oder die Visitatorin einzelne Teile der Visitation zur Durchführung übertragen werden. Die Gesamtverantwortung der Visitatorin oder des Visitators bleibt unberührt.
( 4 ) Für Visitationen gemäß § 2 Absatz 2 bestimmt bei der Anordnung der Visitation der Bischofsrat im Einvernehmen mit dem Landeskirchenamt, wer die Visitation durchführt.
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§ 5
Vorbereitung der Visitation

( 1 ) Die Kirchengemeinde ist so rechtzeitig über die vorgesehene Visitation zu unterrichten, dass sie mindestens drei Monate Zeit hat, um in einem vorlaufenden Gemeindebericht den Visitierenden ein Bild der Kirchengemeinde zu vermitteln. Dabei soll auf das Profil, das Umfeld, Entwicklungen und Probleme sowie Planungen und Ziele der Kirchengemeinde eingegangen werden; in einem Datenanhang sind die erforderlichen Daten mitzuteilen. Das Landeskirchenamt kann für den Gemeindebericht Leitfragen vorgeben.
( 2 ) Zu einzelnen Bereichen haben die jeweils zuständigen Personen und Stellen Fachberichte zu erstellen und rechtzeitig vor der Visitation vorzulegen.
( 3 ) Die Visitation in den Kirchengemeinden ist rechtzeitig durch Abkündigung im Gottesdienst und auf andere Weise öffentlich anzukündigen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass jedes Gemeindeglied das Recht hat, bei den Visitierenden Wünsche und Beschwerden vorzubringen.
( 4 ) Die Visitation in den Kirchengemeinden ist so anzusetzen, dass sie einen Hauptgottesdienst am Sonntag einschließt. Werden mehrere Kirchengemeinden nach § 3 gemeinsam visitiert, so muss wenigstens in einer von ihnen ein Gottesdienst stattfinden. In den übrigen Kirchengemeinden sind im Rahmen der Visitation ebenfalls öffentliche Gemeindeveranstaltungen durchzuführen.
( 5 ) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 sind auf die Visitation der Kirchenkreise und die Visitationen gemäß § 2 Absatz 2 sinngemäß anzuwenden. Bei Visitationen der Kirchenkreise sollen die Konzepte in den kirchlichen Handlungsfeldern, für die die Landeskirche nach den Bestimmungen des Finanzausgleichsgesetzes Grundstandards erlassen hat, als Material für die Vorbereitung und Durchführung der Visitation herangezogen werden.
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§ 6
Gespräche

( 1 ) Die Visitierenden erörtern mit den jeweiligen Organen, den Pastoren und Pastorinnen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gemeindeberichte, Fachberichte und die Beobachtungen während der Visitation. Ehrenamtliche Mitglieder des Kirchenkreisvorstandes, die dem Visitationsteam angehören, sollen an Gesprächen mit dem Kirchenvorstand teilnehmen. In Patronatsgemeinden kann auch der Patron oder die Patronin an den Erörterungen teilnehmen.
( 2 ) Den Pastoren und Pastorinnen, den beruflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den leitenden ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Mitgliedern der beteiligten Organe ist anlässlich der Visitation Gelegenheit zum Einzelgespräch mit dem Visitator oder der Visitatorin über ihren Dienst zu geben.
( 3 ) Bei Bedarf können im Rahmen der Visitation auch Maßnahmen zur Bewältigung von Konflikten nach den Bestimmungen des Pfarrdienstrechts vereinbart werden.
( 4 ) Anlässlich der Visitation in den Kirchengemeinden ist dem Kirchenvorstand Gelegenheit zu geben, sich in Abwesenheit der jeweiligen Betroffenen gegenüber dem Visitator oder der Visitatorin über die Amtsführung der Pastoren und Pastorinnen sowie der beruflichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu äußern.
( 5 ) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 sind auf die Visitationen in den Kirchenkreisen und die Visitationen gemäß § 2 Absatz 2 sinngemäß anzuwenden.
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§ 7
Visitationsbericht

( 1 ) Nach der Visitation in einer Kirchengemeinde erstellt der Visitator oder die Visitatorin innerhalb von drei Monaten nach dem Visitationssonntag einen Visitationsbericht und sendet ihn an den Kirchenvorstand der visitierten Kirchengemeinde, ferner mit den vorliegenden Unterlagen an die Regionalbischöfin oder den Regionalbischof sowie an das Landeskirchenamt. Innerhalb dieses Zeitraums soll mit dem Kirchenvorstand ein Nachgespräch geführt werden, insbesondere um sich aus der Visitation ergebende Zielvereinbarungen zu treffen. Der Visitator oder die Visitatorin kann im Einvernehmen mit dem Kirchenvorstand auf das Nachgespräch verzichten, wenn die Zielvereinbarungen bereits während der Visitation getroffen worden sind.
( 2 ) Nach der Visitation in den Kirchengemeinden, in denen ein Superintendent oder eine Superintendentin eine Pfarrstelle innehat, und nach der Visitation in den Kirchenkreisen berichtet der Visitator oder die Visitatorin dem Landeskirchenamt, nach der Visitation gemäß § 2 Absatz 2 dem Landeskirchenamt und dem Landesbischof oder der Landesbischöfin. Im Übrigen gilt Absatz 1 entsprechend.
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§ 8
Stellungnahme der Regionalbischöfin oder des Regionalbischofs

Nach der Visitation in den Kirchengemeinden bestätigt die Regionalbischöfin oder der Regionalbischof dem Visitator oder der Visitatorin und der Kirchengemeinde innerhalb von drei Monaten den Eingang des Visitationsberichtes und erklärt den Abschluss der Visitation. Sie oder er kann eine Stellungnahme zum Visitationsbericht abgeben; je eine Abschrift der Stellungnahme ist dem Visitator oder der Visitatorin und dem Landeskirchenamt zuzuleiten.
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§ 9
Folgegespräch

( 1 ) In dem auf die Visitation folgenden Jahr führt der Visitator oder die Visitatorin ein Gespräch mit dem Kirchenvorstand über die Ergebnisse der Visitation und daraus zu ziehende Folgerungen (Folgegespräch). Im Zusammenhang mit dem Folgegespräch sind nach Maßgabe des Pfarrdienstrechts Perspektivgespräche zu führen und Beurteilungen der Pastoren und Pastorinnen vorzunehmen.
( 2 ) Nach der Visitation eines Kirchenkreises und nach Visitationen gemäß § 2 Absatz 2 sind entsprechende Gespräche zu führen.
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§ 10
Weitere Bestimmungen

Das Nähere über Art, Umfang und Verlauf der Visitationen wird durch Rechtsverordnung geregelt.
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§ 11
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Juli 2013 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Kirchengesetz über die Visitation vom 12. Dezember 1980 (Kirchl. Amtsbl. 1981, S. 2), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Kirchengesetzes vom 15. Juli 2005 (Kirchl. Amtsbl. S. 180), außer Kraft.