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Kirchengesetz über das Kirchengericht
für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten
(MVG-Gerichtsgesetz)

Vom 12. Dezember 2019

KABl. 2019, S. 306, 308

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§ 1
Errichtung des Kirchengerichts

( 1 ) Für den kirchengerichtlichen Rechtsschutz nach dem XI. Abschnitt des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD) wird ein Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten (Kirchengericht) errichtet. Soweit dieses Kirchengesetz nicht etwas anderes regelt, sind die Bestimmungen des XI. Abschnitts des Mitarbeitervertretungsgesetzes der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD) in der jeweils geltenden Fassung ergänzend anzuwenden. Das Kirchengericht ist eine gemeinsame Einrichtung der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen für die Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig, die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Oldenburg und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe sowie für deren Diakonische Werke. Es hat seinen Sitz am Sitz der Geschäftsstelle der Konföderation.
( 2 ) Das Kirchengericht gliedert sich in Kammern für die verfasste Kirche und Kammern für die Diakonie. Die Kammern werden durch den Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen jeweils in der erforderlichen Anzahl gebildet.
( 3 ) Die Wahrnehmung der Aufgaben der Geschäftsstelle des Kirchengerichts regelt der Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Den auf die Kammern für die Diakonie entfallenden Aufwand tragen die beteiligten Diakonischen Werke nach Maßgabe einer zwischen ihnen zu treffenden Vereinbarung.
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§ 2
Zuständigkeitsbereich des Kirchengerichts

( 1 ) Das Kirchengericht entscheidet auf Antrag über alle Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung des MVG-EKD und der Anwendungsgesetze der nach § 1 Absatz 1 Satz 2 beteiligten Kirchen und Diakonischen Werke ergeben.
( 2 ) Die Kammern für die verfasste Kirche sind zuständig für Angelegenheiten der kirchlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen der beteiligten Kirchen sowie für die Angelegenheiten der Gesamtmitarbeitervertretungen bei einer kirchlichen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung und für die Angelegenheiten der Gesamtausschüsse bei den beteiligten Kirchen.
( 3 ) Die Kammern für die Diakonie sind zuständig für Angelegenheiten der Einrichtungen der Diakonie und der Diakonischen Werke der beteiligten Kirchen sowie für Angelegenheiten der Gesamtmitarbeitervertretungen bei den Diakonischen Werken der beteiligten Kirchen, der Gesamtausschüsse bei den Diakonischen Werken oder des gemeinsamen Gesamtausschusses nach § 54 MVG-EKD.
( 4 ) Für Angelegenheiten von Mitarbeitervertretungen, die für Dienststellen der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen oder der beteiligten Kirchen sowie für Dienststellen gebildet worden sind, die sich einem Diakonischen Werk der beteiligten Kirchen angeschlossen haben, richtet sich die Zuständigkeit nach der Größe der beteiligten Dienststellen. Größte Dienststelle ist die kirchliche Körperschaft, Anstalt, Stiftung oder Einrichtung der Diakonie, die am Tag des Eingangs des Antrages beim Kirchengericht die meisten Mitarbeitenden im Sinne von § 2 MVG-EKD in Verbindung mit § 2 MVG-EKD-Anwendungsgesetz hat. Die Kammern für die verfasste Kirche sind zuständig, soweit es sich bei der größten der beteiligten Dienststellen um eine Dienststelle der verfassten Kirche handelt. Die bei den Diakonischen Werken bestehenden Kammern sind zuständig, soweit es sich bei der größten der beteiligten Dienststellen um eine Dienststelle der Diakonie handelt.
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§ 3
Bildung und Zusammensetzung der Kammern

( 1 ) Der Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen beruft zu Mitgliedern des Kirchengerichts die erforderliche Anzahl von Vorsitzenden und beisitzenden Mitgliedern der Kammern.
( 2 ) Vorsitzende und beisitzende Mitglieder müssen zu kirchlichen Ämtern in einer Gliedkirche der Evangelischen Kirche in Deutschland wählbar sein.
( 3 ) Die Vorsitzenden der Kammern für die verfasste Kirche werden auf gemeinsamen Vorschlag der Leitungen der beteiligten Kirchen und ihrer Gesamtausschüsse berufen. Die Vorsitzenden der Kammern für die Diakonie werden auf gemeinsamen Vorschlag des Diakonischen Dienstgeberverbandes Niedersachsen und der bei den Diakonischen Werken bestehenden Gesamtausschüsse oder des gemeinsamen Gesamtausschusses nach § 54 MVG-EKD berufen. Die Vorsitzenden der Kammern müssen die Befähigung zum Richteramt besitzen. Sie dürfen keinem kirchenleitenden Organ einer der beteiligten Kirchen und keiner Dienststellenleitung gemäß § 4 MVG-EKD angehören und dürfen weder in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis noch in einem privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis zu einer kirchlichen Körperschaft oder einer Einrichtung der Diakonie innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland stehen.
( 4 ) Die eine Hälfte der beisitzenden Mitglieder in den Kammern für die verfasste Kirche wird auf gemeinsamen Vorschlag der Leitungen der beteiligten Kirchen berufen. Die andere Hälfte der beisitzenden Mitglieder wird auf gemeinsamen Vorschlag der bei den beteiligten Kirchen bestehenden Gesamtausschüsse berufen.
( 5 ) Die eine Hälfte der beisitzenden Mitglieder in den Kammern für die Diakonie wird auf Vorschlag des Diakonischen Dienstgeberverbandes Niedersachsen berufen. Die andere Hälfte der beisitzenden Mitglieder wird auf gemeinsamen Vorschlag der bei den Diakonischen Werken bestehenden Gesamtausschüsse oder des gemeinsamen Gesamtausschusses gemäß § 54 MVG-EKD berufen.
( 6 ) Die von den Leitungen der beteiligten Kirchen oder vom Diakonischen Dienstgeberverband Niedersachsen vorgeschlagenen beisitzenden Mitglieder müssen beruflich oder ehrenamtlich im kirchlichen oder diakonischen Dienst tätig sein. Die von den Gesamtausschüssen der Mitarbeitervertretungen vorgeschlagenen beisitzenden Mitglieder müssen zum Mitglied einer Mitarbeitervertretung wählbar sein.
( 7 ) Vom Amt als beisitzendes Mitglied ist ausgeschlossen,
  1. wer infolge eines Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt oder wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist.
  2. wer wegen einer Tat angeklagt ist, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann.
  3. wer in einem Beamten- oder privatrechtlichen Dienstverhältnis am Kirchengericht tätig ist.
Fällt eine der in den Absätzen 2 und 6 und in § 10 MVG-EKD genannten Voraussetzungen für die Berufung als beisitzendes Mitglied nachträglich fort oder wird das Fehlen einer dieser Voraussetzungen oder das Vorliegen einer der Ausschlussgründe nach Satz 1 nachträglich bekannt, so ist das beisitzende Mitglied auf Antrag des Rates der Konföderation oder auf eigenen Antrag von seinem Amt zu entbinden. Über den Antrag entscheidet die nach der Geschäftsverteilung dafür zuständige Kammer des Kirchengerichts. Vor der Entscheidung ist das beisitzende Mitglied zu hören. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die nach Satz 2 zuständige Kammer kann anordnen, dass das beisitzende Mitglied bis zu einer Entscheidung über die Entbindung vom Amt nicht heranzuziehen ist.
( 8 ) Die Vorsitzenden der Kammern wählen aus ihrer Mitte für die Dauer von jeweils zwei Jahren den Direktor oder die Direktorin des Kirchengerichts sowie eine Stellvertretung; diese regeln gemeinsam die Geschäftsverteilung und die Vertretung für alle Mitglieder. Die Vorsitzenden können sich eine Geschäftsordnung geben.
( 9 ) Die Amtszeit der Vorsitzenden und der beisitzenden Mitglieder beträgt sechs Jahre. Ein Mitglied scheidet aus, wenn es sein Amt durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen niederlegt. Scheidet ein Vorsitzender oder eine Vorsitzende aus, ist nachzuberufen. Ist die Arbeitsfähigkeit der Kammern dadurch gefährdet, dass zu wenige beisitzende Mitglieder zur Verfügung stehen, so sind auf Antrag der Direktorin oder des Direktors des Kirchengerichts beisitzende Mitglieder nachzuberufen. Für die Nachberufung gelten die Absätze 1 bis 6 entsprechend.
( 10 ) Die Kammern für die verfassten Kirche führen ihre Verhandlungen in der Besetzung mit dem oder der Vorsitzenden, einem der beisitzenden Mitglieder nach § 3 Absatz 4 Satz 1 und einem der beisitzenden Mitglieder nach § 3 Absatz 4 Satz 2. Die Kammern der Diakonie führen ihre Verhandlungen in der Besetzung mit einem oder einer Vorsitzenden, einem der beisitzenden Mitglieder nach § 3 Absatz 5 Satz 1 und einem der beisitzenden Mitglieder nach § 3 Absatz 5 Satz 2.
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§ 4
Rechtsstellung der Mitglieder des Kirchengerichts

( 1 ) Die Mitglieder des Kirchengerichts sind in ihrer Entscheidung unabhängig und nur an das geltende Recht gebunden. Für sie gelten die §§ 19, 21, § 22 Absätze 1 und 2 und § 26 Absatz 3 MVG-EKD entsprechend.
( 2 ) Die Mitglieder des Kirchengerichts erhalten Reisekostenersatz nach den für die Mitglieder der Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers geltenden Bestimmungen. Die Vorsitzenden erhalten eine Aufwandsentschädigung, die der Rat der Konföderation im Benehmen mit den beteiligten Diakonischen Werken allgemein regelt.
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§ 5
Kosten der Verfahren vor dem Kirchengericht

( 1 ) Auf Antrag setzt der oder die Vorsitzende der Kammer den Streitwert nach billigem Ermessen fest.
( 2 ) Die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes gelten entsprechend, soweit dem nicht kirchliche Rechtsvorschriften entgegenstehen.
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§ 6
Durchsetzung von Entscheidungen

Entscheidungen des Kirchengerichts können von den beteiligten Kirchen mit Mitteln der kirchlichen Aufsicht durchgesetzt werden. Im Bereich der Diakonie können das Diakonische Werk in Niedersachsen e. V. und das Diakonische Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg e. V. mit satzungsmäßigen Mitteln oder mit Bußgeldern der Entscheidung des Kirchengerichts Geltung verschaffen.
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§ 7
Übergangsregelungen

( 1 ) Die nach den §§ 59 bis 61 des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen gebildete Schiedsstelle wird mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten umgewandelt. Sie bleibt bis zum Ablauf der Amtszeit in ihrer bisherigen Besetzung als Kirchengericht bestehen.
( 2 ) Auf die Verfahren vor der Schiedsstelle, die beim Inkrafttreten dieses Kirchengesetzes nach den Bestimmungen des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen anhängig sind, finden die §§ 38 ff. des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über Mitarbeitervertretungen in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung und die Verordnung des Rates der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über das Verfahren vor der Schiedsstelle weiterhin Anwendung.